Wirksame Betreuung für Suchtkranke

04.03.2014

Martin Hilckmann, fachlicher Leiter, über Akzeptanz ohne moralische Verurteilung, Orientierung an den Fähigkeiten der Klient*innen und Vernetzung der helfenden Akteure als Bedingungen, um süchtigen Klient*innen wirksam helfen zu können.

Peter S. ist 60 Jahre alt und lebt seit zwei Jahren im Betreuten Gemeinschaftswohnen. Er hat bereits mehrfach in unterschiedlichen Einrichtungen von ZIK gelebt.

Seit über 30 Jahren ist er opiatabhängig und wird seit 16 Jahren substituiert. Er ist langzeitinfiziert mit HIV und außerdem mit Hepatitis B und C koinfiziert. Polyneuropathien, eine chronisch obstruktive Lungenkrankheit, Anämie und offene Beine beeinträchtigen zusätzlich seinen Gesundheitszustand. Psychisch ist Herr S. weitgehend stabil, hatte aber in den vergangenen Jahren mehrere drogeninduzierte Psychosen.

Trotz seiner HIV-Langzeitinfektion nimmt Herr S. seit kurzer Zeit keine antiretroviralen Medikamente mehr, da er erhebliche Nebenwirkungen bei der Wundheilung an den offenen Beinen wahrnimmt. Eine Hepatitis-Therapie lehnt er als zu belastend ab. Und die Polamidon-Substitutionsbehandlung wird von seinem polytoxikomanen Drogenbeigebrauch (Kokain, Benzodiazepine, Alkohol) begleitet.

Die Drogenszene ist nach wie vor ein wichtiger Lebensmittelpunkt für ihn. Trotz seiner Gehbehinderung ist er regelmäßig im Drogenmilieu unterwegs. Obwohl Herr S. im Laufe der Jahre gelernt hat, eher unauffällig zu konsumieren, ist sein Drogenkonsum momentan so erheblich, dass in absehbarer Zeit eine stationäre Entgiftung erfolgen muss.

Trotz dieser scheinbar aussichtslosen Lage profitiert Herr S. erkennbar von der psychosozialen Betreuung bei ZIK. Unmittelbar vor der Aufnahme in das Wohnprojekt lebte er stark verwahrlost in einer eigenen, vom Vermieter wegen Mietschulden gekündigten Wohnung. In der Wohngemeinschaft war Herr S. schnell in der Lage, sein Zimmer adäquat einzurichten, und er ist auch fähig, es sauber zu halten. Herr S. nutzt unsere tagesstrukturierenden Angebote wie die Kochgruppe und das projekteigene Bewohner-Café. Ansonsten ist er eher ein Einzelgänger und meidet den Kontakt, insbesondere zu den jüngeren Bewohnern.

In WG-Gesprächen werden die Probleme des Zusammenlebens geklärt und in der Bezugsbetreuung sozialrechtliche und gesundheitliche Probleme besprochen. Mit der Methode der motivierenden Gesprächsführung informiert der ZIK-Bezugsbetreuer seinen Klienten über die Risiken der HIV-Therapiepause und klärt ihn über die möglichen Konsequenzen einer unbehandelten chronischen Hepatitis auf. Auch der Drogenbeigebrauch und die Notwendigkeit einer stationären Entgiftung sind Inhalt der Betreuungsgespräche. Ziel ist die Wiederaufnahme der antiretroviralen HIV-Therapie nach erfolgreicher Entgiftung im Krankenhaus. Wir sind zuversichtlich, dass dies im Zuge der kontinuierlichen Betreuung im Projekt auch gelingen wird.

Unsere Betreuungsgrundsätze

 
 

Die Betreuung von Herrn S. folgt wesentlichen Grundsätzen für die Betreuung von Drogenkonsument*innen, die unseres Erachtens notwendig sind, um langzeitsüchtige, schwerstabhängige Drogengebraucher menschenwürdig und effektiv versorgen zu können:

  • Akzeptanz ohne moralische Bewertung
  • Stärkung der Abstinenzmotivation, aber keine Abstinenzforderung
  • „Baukasten“ für die Bearbeitung des Suchtproblems (Sucht-Gesprächsgruppe, motivierende Gesprächsführung, Konsumreduktionsprogramme, aber auch lebenspraktische Angebote wie Geldeinteilung etc.)
  • Lebenspraktische Unterstützung bei der Wohnraumsicherung und bei der Sicherstellung der gesundheitlichen Versorgung
  • Orientierung an den Fähigkeiten und Ressourcen der Klient*innen
  • Ziele, Inhalte und Grenzen der Betreuung gemeinsam, flexibel und transparent aushandeln
  • Strategien der Schadensbegrenzung (harm reduction) nutzen, um zu vermeiden, dass Klient*innen aus dem Hilfesystem herausfallen
  • „Housing first“: zunächst die Grundbedürfnisse absichern, danach das Suchtproblem bearbeiten
  • Vernetzung und Kooperation der helfenden Akteure: psychosoziale Betreuung, ärztliche Versorgung und Pflege in einer Gesamtplanung aufeinander abstimmen
Martin Hilckmannzoom

Wir legen großen Wert auf pragmatische Hilfen, die auf eine Absicherung der Grundbedürfnisse, vor allem durch adäquaten Wohnraum, auf eine Sicherstellung der gesundheitlichen Versorgung und auf eine Überwindung von sozialer Isolation zielen. Der Umgang der Mitarbeiter*innen mit der „Kundschaft“ ist von Empathie und Humor geprägt, ohne dass dabei die professionelle Distanz verloren geht. Die Lebensweisen und Wünsche der Klient*innen werden dabei grundsätzlich akzeptiert.

 

Wir legen großen Wert auf pragmatische Hilfen, die auf eine Absicherung der Grundbedürfnisse, vor allem durch adäquaten Wohnraum, auf eine Sicherstellung der gesundheitlichen Versorgung und auf eine Überwindung von sozialer Isolation zielen. Der Umgang der Mitarbeiter*innen mit der „Kundschaft“ ist von Empathie und Humor geprägt, ohne dass dabei die professionelle Distanz verloren geht. Die Lebensweisen und Wünsche der Klient*innen werden dabei grundsätzlich akzeptiert.

Martin Hilckmannzoom
 

Der im ZIK-Leitbild verankerte Grundsatz der „Kundenorientierung“ hat für die Betreuung älterer Drogenkonsument*innen eine besondere Relevanz. Gegen den Widerstand der Bewohner*innen zu arbeiten, sie erziehen zu wollen oder gar zu bevormunden, widerspräche dem Betreuungsansatz einer personenzentrierten Hilfe und wäre kontraproduktiv.

Martin Hilckmann

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