29.07.2020
Einblicke von Kalle Krott anlässlich des Welt-Hepatitis-Tags
2002 haben wir unseren Leistungstyp erweitert. Vorher arbeiteten wir nur für Menschen mit HIV und Aids, danach konnten wir unsere Angebote auch explizit für Menschen mit einer Hepatitis-C-Infektion öffnen.
Denn in den Lebenslagen gerade der drogengebrauchenden Menschen kannten wir uns durch die Klient*innen mit HIV schon sehr gut aus – und gerade über den Drogengebrauch wird das Hepatitis-C-Virus weitergegeben.
Gegen diese Infektion gibt es, anders als bei Hepatitis A und B, nach wie vor keine Impfung.
Ob man sich beim „needle-sharing“ mit HIV oder Hepatitis C ansteckt - die Lebenslage der Betroffenen, ihre Probleme waren die gleichen.
So hatte man damals auch auf Seiten der Senatsverwaltung erkannt, dass bei ZIK Expertise vorhanden ist, und wir durften unsere Angebote gezielt auch für diese Zielgruppe öffnen und mit ihnen arbeiten.
Es zeigte sich bald, dass die Therapien für Hepatitis-C-Betroffene viele Nebenwirkungen hatten. Sie wurden mit verschiedenen Medikamenten behandelt und dazu zählte auch Interferon, das oft heftige Nebenwirkungen wie Depressionen und grippeähnliche Symptome hervorrief, sodass es für manche wirklich schwer war, sich für eine solche Therapie zu entscheiden und sie durchzuhalten.
Die Leber bewirkt ja keinen Schmerz, wenn sie betroffen ist, wenn sie aufgrund des Virus vernarbt und eine Fibrose entsteht. So spüren die Menschen keine Schmerzen und haben oftmals wenig Leidensdruck aufgrund ihrer Lebererkrankung.
Aber eine Hepatitis C führt unbehandelt zu Leberzirrhose oder auch zu Leberkrebs. Um möglichst viele in Behandlung zu bringen, haben wir damals Gruppen gebildet aus Ärzt*innen und aus Betroffenen, die ihre Therapie bereits erfolgreich hinter sich hatten. Im Sinne des Peer-Counselings haben wir sie mit Infizierten ins Gespräch gebracht, die sich noch schwer taten mit ihrer Entscheidung für die Therapie.
Zehn Jahre später kamen die ersten neuen Medikamente auf den Markt und inzwischen gibt es eine sehr hohe Erfolgsquote von nahezu 100 Prozent, wenn man sich damit behandeln lässt.
Zudem ist die Therapie heute deutlich ärmer an Nebenwirkungen als mit der damaligen Ribavirin-Interferon-Behandlung.
Vor fünf, sechs Jahren hatten noch zwei Drittel unserer neu aufgenommenen Klient*innen eine HCV-Infektion – inzwischen ist es nur noch ein Drittel. Aber das bedeutet dennoch, dass es immer noch zu viele Menschen gibt, die unbehandelt durch die Welt gehen. Sie kommen zu uns z. B. aus der Obdachlosigkeit, sind sucht- oder psychisch krank und können sich selbst nicht gut um ihre Gesundheitssorge kümmern.
Ziel in der Betreuung ist es dann, die noch Unbehandelten rasch in die Behandlung zu bringen. Dazu haben wir ein gutes Netzwerk, wir arbeiten mit Schwerpunktpraxen zusammen, und wir versuchen, den Klient*innen ihren Weg in die Behandlung niedrigschwelliger zu gestalten.
Unsere Klient*innen haben einen Anspruch auf die Übernahme von Impfkosten, wenn sie, etwa als Drogengebrauchende oder als MSM, zu einer Risikogruppe gehören. Als HCV-Patient*innen müssen sie unbedingt durch die vorhandenen Impfungen vor zusätzlichen Infektionen mit Hepatitis A und B geschützt werden.
Aber wenn dann Ärzt*innen jemand mit gleich mehreren behandlungsbedürftigen Diagnosen erstmals gegenübersitzt, geht auch guten Mediziner*innen dieser Aspekt manchmal unter. Daher behalten wir das stets im Blick.
Leider nehmen inzwischen die Diagnosezahlen zu Hepatitis C wieder zu – und die Behandlungszahlen nehmen gegenläufig wieder ab. Das ist sehr unerfreulich. Wir erleben, dass Arztpraxen mitunter die Regelmäßigkeit der Medikamenteneinnahme gerade bei drogengebrauchenden Patient*innen als nicht gesichert betrachten und ihnen daher die Behandlung nicht anbieten.
Als wir nach der Jahrhundertwende mit unserer Arbeit begannen, erlebten wir das in noch viel höherem Maße. Damals glaubten viele Ärzt*innen, dass suchtkranke Menschen nicht die nötige Stabilität für die seinerzeit noch starken Nebenwirkungen der Therapie mitbringen.
Aber wir konnten uns mit den Schwerpunktpraxen darauf verständigen, dass unsere Klient*innen durch Aufnahme ins Betreute Wohnen und unsere Begleitung bei der Gesundheitssorge die notwendige Compliance bei der Medikamenteneinnahme erreichen können.
Dass jetzt wieder Behandlungen und Versorgungen mit Medikamenten verweigert werden, hängt heute wohl eher mit den hohen Kosten der Medikamente zusammen. So müssen wir erneut dagegen angehen, dass aufgrund bestimmter Lebenslagen oder Drogenkonsum die Menschen von solchen notwendigen Behandlungen ausgeschlossen werden.
Wir achten bei unserer Betreuung auch darauf, die Klient*innen immer wieder daran zu erinnern, dass sie sich vor einer Reinfektion schützen müssen.
Bei HCV besteht das Risiko der Übertragung über Blut, über gemeinsam genutzte Gegenstände, etwa auch, wenn man über die Nase Drogen konsumiert. In unseren Präventionsbemühungen bleibt safer-use-Beratung also ein wichtiger Baustein.
Dankbar sind wir bei all dem für die Hilfe und Unterstützung durch die medizinischen Entwicklungen. Heute haben wir Therapien, die wirklich wirken. Unsere seit fast 20 Jahren regelmäßig tagende AG HCV konnte daher inzwischen mit unserer ZIK-internen Arbeitsgruppe Gesundheit „fusionieren“.
Weiterhin ist es unser Anspruch, unsere Mitarbeiter*innen kontinuierlich auf dem Laufenden zu halten – über Erfahrungen mit Schwerpunktpraxen, über Therapie-Entwicklungen und deren Umsetzungsweise, und so fort.
Aus jedem unserer Standorte sind Vertreter*innen in dieser Arbeitsgruppe aktiv, das sichert uns und somit vor allem unseren Klient*innen eine ständige Aktualisierung des Wissens zu der gesundheitlichen Beratung und Behandlung unserer von Hepatitis C betroffenen Bewohner*innen.
Kalle Krott
Bei Interesse an unseren Angeboten können Sie mit unserer Tagesstätte direkt Kontakt aufnehmen: